Ich glaube für viele Deutsche hat sich die Einstellung durchgesetzt, das man sich Freunde aussucht, seine Familie aber nicht - das also ergo die Freunde mehr wert sind als die Familie.
Außerdem gibt es immer weniger Großfamilien in denen alle wirklich zusammenhalten, gerade weil sich alle eher nach außen orientieren, eben auf die "selbstgewählte Familie"=die Freunde.
Für mich ist das auch nicht schön. Ich gehöre zu den wenigen Menschen die obwohl Deutsche in einer Großfamilie aufgewachsen ist und sehr zu schätzen weiß, dass man sich in einer solchen Familie ruhig zwischendurch auch mal nicht so gut verstehen kann - man aber im Notfall immer zusammenhält.
Freunde kommen und gehen in den meisten Fällen - eine funktionierende Großfamilie bleibt Dir auch wenn mal zwischendurch Missstimmungen zwischen einzelnen Personen aufkommen - einfach, weil es so viele sind die die Familie ausmachen und nicht gerade zwei Mann bei denen alles vorbei ist nur weil man sich verkracht hat.
Für mich wird die Bedeutung des Zusammenhaltes und der Achtung vor Älteren sehr unterschätzt. Der durchschnittliche deutsche "Großvater" sitzt bei uns im Altersheim und ist froh, wenn er einmal im Monat von den Enkeln einen Pflichtbesuch bekommt.
Das ist in anderen Kulturen anders - da ist eine Hochachtung gegenüber der Erfahrung der Großeltern und Eltern, die ich zwar noch so kennengelernt habe - dabei bin ich auch erst 29 - die aber viele gar nicht mehr kennen.
Ich denke, der Jugendwahn und dieses Idealbild vom "unabhängigen" Menschen der sich niemandem mehr unterordnet als dem eigenen Willen sind der Hauptgrund, warum es in der Hinsicht in Deutschland für Familien so schlecht aussieht.
Heute wird viel zu schnell mit Menschen gebrochen - nur weil man sich mal in die Haare bekommen hat oder sich generell nicht so auf einer Wellenlänge befindet.
Dabei ist das normal und gehört dazu.
Nicht jeder kann sich mit jedem verstehen. Aber wenn eine Familie als solches zusammenhält, dann lässt sie einen auch nicht fallen, wenn man nicht auf derselben Wellenlänge liegt oder wenn man sich anders verhält als es die Familienmitglieder für ideal halten.
Für mich denkt heute jeder zu viel an sich, zu wenig an andere - eine scheußliche Tendenz!!!
Nachtrag an Gudrun: Sorry, aber das ist kein Vorurteil. Ich bin nun nicht weniger Deutsche als Du, und kann leider nur sagen, dass es durchaus so ist, dass sich viele - natürlich nicht alle - Deutsche weniger familienverbunden verhalten als Menschen anderer Kulturen.
Im Übrigen - ich habe meinen Vater gepflegt, als der im Sterben lag. Zwei Jahre lang. Insofern - Dein Wutausbruch an die "bösen" die ja gar nicht mitreden können weil sie gar nichts über Deutschland wissen, ist fehlgeleitet. Warum bist Du gleich so auf der Palme? Manche Stereotypen enthalten nun mal auch ein Körnchen Wahrheit - und die Wahrheit ist nunmal, während es zwar durchaus viele Deutsche gibt denen ihre Kernfamilie - d. h. Vater Mutter und Kinder - sehr wichtig sind, haben Großeltern etc. hier schon lange nicht mehr denselben wichtigen Stellenwert wie sie den in anderen Kulturen haben. Das ist nunmal leider Fakt, und keine üble Nachrede durch Menschen die Deutschland diskreditieren wollen.
Gegenfrage: Kannst *Du* vergleichen? Kennst Du es, wie in anderen Kulturen - mit welchem Respekt!!! - da gerade den älteren Menschen begegnet wird? Dass da niemals ein Familienmitglied auf der Straße landen würde weil jeder einzelne sein eigenes Süppchen kocht? Wie oft unter vielen Geschwistern dann nur ein einziger dazu bereit ist die alten Eltern zu pflegen während sich alle anderen drücken?! Das ist leider auch "typisch deutsch". Auch wenn es unschön ist. Wir haben hier einen Jugendwahn und es gibt natürlich die, die sich um ihre Angehören kümmern - sogar viele - aber es gibt noch viel mehr Menschen, die sich davor drücken und dann bleibt es an einzelnen Familienangehörigen hängen oder die zu pflegenden landen gleich im Heim.
Nein, Deutschland ist nicht ganz so rosig wie Du es dargestellt haben möchtest. Gerade das Thema häusliche Pflege ist ziemlich desillusionierend. Gerade weil es so oft nur einzelne Menschen sind in der Familie die dann die ganze Pflege übernehmen.